„Wir müssen sichtbarer werden!“
Katrin Himmler klärt über Machenschaften der „Neuen Rechten“ auf – und deren greifbarer Nähe zum alten Nazitum.
„Haben Sie eigentlich einmal darüber nachgedacht, ihren Familiennamen zu ändern?“ Den aufmerksamen Schülerinnen und Schülern im Mehrzweckraum der Georg-August-Zinn-Schule entgeht nicht, wie die bislang flüssig und anschaulich sprechende Referentin einen Augenblick lang über diese Frage einer Jugendlichen überrascht nachdenkt. Seit einer guten Stunde folgen die Zehntklässler sehr interessiert den Ausführungen Katrin Himmlers (Jg. 67) über Symbole, Orte, Strategien und Protagonisten der jüngeren rechtsextremen Szene in Deutschland. Sie spricht sachlich und offen über Anfeindungen, Hassbriefe und auch darüber, wie unglaublich schwer es hierzulande sei, die eigene Adresse vor der Öffentlichkeit zu schützen. „Ja,“ erinnert sie sich, „ihre Mutter hätte darüber nachgedacht, direkt nach dem Krieg.“ Dennoch hat sie ihn behalten.
Der Name Himmler ist dem kollektiven Gedächtnis eingebrannt als einer jener, die für das größte Verbrechen gegen die Menschlichkeit stehen, für millionenfachen Mord in Vernichtungslagern und genozidalen Massakern an Zivilisten während des Zweiten Weltkriegs. Heinrich Himmlers Plan sah vor, im „Osten“ mit Grenze zum Ural Siedlungsraum für eine „arische Herrenrasse“ zu erobern, andere Völker zu vernichten oder zu versklaven. Sein Weg führte den jungen Studenten einer schlagenden Verbindung rasch an die Spitze einer aufstrebenden Partei, die die noch junge Demokratie in Deutschland verunglimpfte und verletzte, wo es ging. Die Störungen der Nazis begannen in den Parlamenten der Provinz und mündeten in einer nationalen Machtergreifung 1933, eingeleitet und begleitet von den Schlägertrupps der SA und SS. Deren Befehlshaber: Heinrich Himmler.
Katrin Himmler, Großnichte des Massenmörders, nimmt die Verantwortung ernst, die sie mit ihrer eigene Familiengeschichte wieder und wieder konfrontiert. Woche um Woche reist sie mit dem Volksbund als veranstaltender Organisation durch die Republik, um genau das zu stärken und zu schützen, was ihr Großonkel mit seiner Partei einst zerstörte. Ihre Kenntnisse über die heutige Szene, über extrem rechte Influencerinnen, Mode-, Farb- und Zahlencodes unter jungen Nazis, die Wirkungsweise schnell emporschießender fake-news kommen zusammen mit ihrem persönlichen Engagement richtig gut an. Und das Thema, wie man mit der „Neuen Rechten“ umgeht, ist in Zeiten, in denen eine rechtsextreme Partei in einem vermeintlich so unverdächtigen Stadtteil wie Oberzwehren (Standort der GAZ-Europaschule) ausgerechnet bei der jüngsten Wahl zum Europaparlament 22 Prozent Stimmenanteil erhält, wohl drängender denn je. Katrin Himmler ist überzeugt: „Ich habe das Gefühl, dass junge Menschen politisch sehr wach sind. Es gibt in unserer Gesellschaft eine demokratisch eingestellte Mehrheit. Die Rechtsextremen sind lauter. Deshalb müssen wir sichtbarer werden.“
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