Stillstand verbietet sich
Mathias Koch geht nach 14 Jahren Schulleitung in den wohlverdienten Ruhestand und übergibt eine lebendige “Neue GAZ” an seinen Nachfolger Dominik Becker. Woran wird zu denken sein? Ein Gespräch mit dem alten und dem neuen Schulleiter.
AGB: Mathias, deine letzten Monate als Schulleiter sind durch Corona völlig anders verlaufen, als du oder irgendjemand es sich vorher hätte ausdenken können. Was ist dein Fazit aus dieser Zeit?
Mathias Koch: Nun, das hat viele Aspekte, die alle mehr oder weniger mitbekommen haben, vom Lockdown über das Organisieren von “Home Schooling” bis zur Wiederaufnahme des Schulbetriebs mit strengem Hygieneplan... An der GAZ sind wir aber aus zwei Gründen in einer relativ komfortablen Situation gewesen, zum Einen, was unsere Ausstattung mit Räumen angeht, und zum Anderen wegen unseres Personals: Wir hatten glücklicherweise ganz wenige Kolleginnen oder Kollegen, die sich der Risikogruppe zurechneten. Im Rückblick kann ich sagen: Jeder hat begriffen, wie ernst die Situation ist, und zu der ohnehin guten Zusammenarbeit an unserer Schule kam eine große Solidarität des Kollegiums mit der Schulleitung. Das hat es uns sehr erleichtert, auf die jeweiligen Vorgaben zu reagieren.
AGB: Du blickst auf 14 Jahre an der GAZ zurück. Was sind die Stärken der Schule?
Mathias Koch: In erster Linie das Kollegium mit allen, die hier arbeiten. Hier gibt es eine extreme Bereitschaft, viel zu investieren, um unseren Schülerinnen, Schülern und deren Eltern gerecht zu werden. Es ist ja kein Geheimnis, dass wir es hier im Stadtteil auch mit vielen Familien aus bildungsfernen Hintergründen zu tun haben, und wir alle haben uns dem obersten Ziel verschrieben, unseren Schülerinnen und Schülern nicht nur einen bestmöglichen Abschluss zu ermöglichen, sondern sie vor allem auch durch unser tägliches Vorleben, durch Unterrichtsinhalte, Methoden und all jenes, was über den Unterricht hinaus geschieht, auf das Leben vorzubereiten. Mit einem Wort: Neben fachlichem Wissen auch personelle Kompetenzen zu vermitteln. Das ist mir ein ganz großes Anliegen, und ich denke, das ist eine Stärke der Schule.
AGB: Unsere Schule hat als “Neue GAZ” Fahrt aufgenommen: Den Ganztagsbereich ausgebaut, das pädagogische Konzept auf neue Beine gestellt, die Teamarbeit verstärkt - Was werden die Schwerpunkte der nächsten Jahre sein?
Mathias Koch: Auf jeden Fall, das pädagogische Konzept fortzusetzen. Evaluieren, verbessern, und, wenn es nach mir ginge, weiter auszubauen! Noch mehr individualisierte Lernprozesse gestalten, die zu jeder Zeit Selbständigkeit und Eigenverantwortung unterstützen. Das ist meines Erachtens nach das “A und O”, um sagen zu können, dass wir unsere Schülerinnen und Schüler auf das weitere gesellschaftliche und berufliche Leben vorbereitet haben.
Dominik Becker: Die Sanierung bzw. der Neubau werden einen sehr großen Aspekt darstellen, um dann auch baulich zu gestalten, was wir inhaltlich und konzeptionell weiter auf den Weg bringen wollen. Und die Digitalisierung wird ein großes Thema sein.
Mathias Koch: Ja, zumal sich das Kollegium extrem verjüngt hat. Technische Kenntnisse und Ansprüche sind dadurch stark gestiegen, aber an unserer Schule hinken wir von der Ausstattung her im Moment noch fälligen Standards hinterher - das muss so schnell wie möglich aufgeholt werden, auch und vor allem im Zeichen des individualisierten Lernens.
AGB: Wenn du, Mathias, auf die Schülergenerationen zurückschaust - was hat sich deiner Erfahrung nach geändert?
Mathias Koch (überlegt): Nicht einfach zu sagen... Vieles ist, wie es schon immer war. Aber es gibt Dinge, die sich spürbar verändert haben. Vor allem bei Dingen, die die Schülerinnen und Schüler heute weniger mitbringen: Sprach- und Lesevermögen bzw. Leseverständnis! Das ist meines Erachtens nach auch ein Fluch, der mit der Digitalisierung daher kommt, dass nämlich das geschriebene Wort - damit meine ich das gute, geschriebene Wort, wie z.B. in einem Buch - an Bedeutung verliert. Da muss man ansetzen und so viel wie möglich kompensieren. In den Jahrgängen 5 und 6 haben wir jetzt auch ein neues Lesekonzept im Fach Deutsch implementiert. Gesellschaftlich bekannt ist zudem der schwindende Respekt vor gewissen Autoritäten, Stichwort Polizei oder auch Politik, sowie das Kursieren von Hass- oder Hämebotschaften, die über das Internet transportiert werden. Im Schulalltag spürt man das bei uns zwar nicht mehr so wie noch vor zwei, drei Jahren - da scheinen wir mit unserer Schulkultur zumindest einen Raum geschaffen zu haben, wo solche Dinge keinen Platz haben. Ich will da aber nichts verharmlosen: Die Gefahren sehe ich nach wie vor.
AGB: Die Schule ist gut im Stadtteil verankert - was schreibst du uns und deinem Nachfolger ins Merkheft, damit das auch so bleibt?
Mathias Koch: Zunächst einmal muss man sagen, dass wir mit unserem Stadtteil Glück haben. Die Vernetzung, wie wir sie hier pflegen, ist nicht selbstverständlich! Und davon profitieren wir auch. Die Leute hier sagen: Das ist unsere Schule, und die unterstützen und fördern wir auch! Viel läuft hier über Kontakte zu wichtigen Gremien im Stadtteil, und das sollte man so fortsetzen. Auch wenn der Nutzen nicht immer sofort erkennbar ist, bin ich fest überzeugt: In der Summe dessen, was man dort investiert, bekommt man auch etwas zurück. Der Förderverein ist ganz, ganz, wichtig, um engagierte Eltern anzusprechen. Manche Mitglieder haben noch über Jahre im Vorstand mitgearbeitet, nachdem ihre Kinder schon längst die Schule verlassen hatten. Bestimmte Aktivitäten mit Schülerinnen und Schülern können wir nur über diese Unterstützung ermöglichen.
AGB: Dominik, was wünschst du dir von deinem Vorgänger?
Dominik Becker (schmunzelt): Nun, der “Laden” ist ja gut am Laufen gehalten und vorangebracht worden, und mein Vorgänger übergibt eine Schule, die funktioniert und lebendig ist. An so eine Schule kommt man gerne.
AGB: Und was wünscht der Vorgänger dem Nachfolger?
Mathias Koch: Persönlich und speziell ein sehr gutes Händchen und viel Energie für die Bewältigung. Das wird nicht “Ohne” sein, das kann ich aus eigener Erfahrung sagen. Ich wünsche dir, Dominik, dass du vieles, das du in unserer gemeinsamen Zeit gelernt hast, hier nützlich einbringen kannst. Und der Schule insgesamt wünsche ich, dass sie sich gut weiterentwickelt, dass vieles, was wir hier an Positivem haben, erhalten bleibt. Neues wird hinzukommen - Stillstand verbietet sich an einer Schule, schon allein wegen der Veränderungen in der Gesellschaft und der Lebenswelt der Kinder. Ich sehe dem Zuversichtlich entgegen. Und vielleicht kann man das ja auch einmal so sagen: Ich hoffe, dass irgendwann einmal - ich habe es nicht geschafft! - in der Meinung der Öffentlichkeit die Schule den guten Ruf bekommt, den sie verdient.
Die Fragen stellte Marcus Angebauer