Zeitzeuge Wolfgang Arndt berichtet über die DDR-Diktatur 

Auf Einladung von Heinz Helge Fach besuchte der Zeitzeuge Wolfgang Arndt aus Berlin die GAZ und berichtete im Rahmen der Europa-Projektwoche im Jahrgang 10 engagiert, lebhaft und anschaulich vom Alltag in der DDR-Diktatur, seinen Erfahrungen mit der Staatssicherheit und der Haftzeit in verschiedenen Gefängnissen der DDR, insbesondere in der berüchtigten Stasi-Untersuchungshaftanstalt Berlin-Hohenschönhausen. Besonders die wirklichkeitsnahe Demonstration eines Stasi-Verhörs mit einem Jan-Luca und Liana wird den teilnehmenden Schülern in Erinnerung bleiben.

 

Wolfgang Arndt (geb. 1959 in Berlin) erlernte den Beruf des Tiefbaufacharbeiters. Er wurde im April 1980 verhaftet, weil er seine Flucht in den Westen plante. Seine Ehefrau hatte ihn an den DDR-Staatssicherheitsdienst verraten. Nach seiner Verurteilung zu einem Jahr und zehn Monaten Freiheitsentzug wegen "Vorbereitung zum ungesetzlichen Grenzübertritt" verbrachte er zwei Jahre in mehreren Gefängnissen der DDR. Er wurde im Juli 1981 freigekauft und durfte in die Bundesrepublik ausreisen.

Im Anschluss stellte sich Herr Arndt den Fragen einer ausgewählten Schülergruppe, die dies zuvor intensiv vorbereitet hatte. Das Interview führten Nicole, Nasria, Liana, Luca K., Alexander W. und Luca M. 

In wieweit hat Ihnen Ihr Glauben an Buddha oder an Gott auf Ihrem Weg geholfen?

Sehr stark, aus dem einfachen Grund, ich hatte keine Angst mehr zu sterben, keine Angst mehr vor dem Tod. Ich hatte schon damals die Gewissheit, es ist nicht Schluss nach dem Tod. Wenn ich aus dieser Welt austreten muss, wenn mich jemand umgebracht hätte oder ich an einer Krankheit gestorben wäre; ich hätte nie Selbstmord begangen; dann ich hab die Gewissheit, dass ich in eine bessere Welt gelange werde. Das hat mir viel Kraft gegeben. Wenn du wirklich glaubst, verlierst du die Angst vor dem Tod. Das war mein Triumph. Sie konnten mir drohen, mit allem was sie wollten, das Einzige, das ich sehr erst nahm war, wenn sie meiner Familie gedroht haben.

Wie sind sie während ihres Aufenthaltes so standhaft geblieben und hatten noch keinen Nervenzusammenbruch?

Mein religiöser Lebensinhalt hat mich standhaft bleiben lassen. Und weil ich mir immer gesagt habe, du musst durchhalten. Es gibt draussen Menschen, die dich lieben, die dich vermissen werden, wenn du zugrunde gehst. Wenn ich mir selbst etwas angetan hätte, hätte ich diesen Menschen großes Leid zugefügt. Und ich wollte mein Leben diesen Verbrechern nicht einfach vor die Füße werfen.

Sie haben sicher Wut und Angst erlebt. Sogar Folter! Wie haben Sie diese Emotionen verarbeitet?

Unmittelbar nach der Misshandlung habe ich die gar nicht verarbeitet, weil die Schmerzen einfach zu groß waren. Nachdem ich von dem Schmerzpegel wirklich runter war, sich das alles gelichtet hatte, konnte ich mich seelisch vorbereiten, zu lernen, körperliche Schmerzen auszuklammern. Man lernte ganz schnell, Schmerzen zu ertragen. Nicht so leicht zu ertragen ist seelischer Schmerz, den du hast, wenn Panik, Angst und die Einsamkeit hochkommen.

Welche Tipps haben Sie als ehgemaliger Stasi-Inhaftierter für die heutige Jugend?

Setzt Euch ein für Mitmenschlichkeit, für Toleranz, für Mitgefühl, für Demokratie und Freiheit und lasst euch nicht missbrauchen, weder von politischen Spinnern noch von religiösen. Wir werden kein Paradies auf Erden erleben, das geht nicht, dafür sind wir als Menschen viel zu unvollkommen. Wir können aber dafür sorgen, dass dieser Planet hier lebenswert bleibt.

Was war der schlimmste Moment ihrer Haftzeit?

Das war eigentlich die Verhaftung als solche. Als man mich aus der Wohnung holte, als man mir den Ausweis vor die Nase hielt: „Wir sind vom Ministerium für Staatssicherheit. Sie sind vorläufig festgenommen. Nehmen sie schonmal ein paar Sachen mit. Das könnte länger dauern“. In dem Augenblich, wo dir klar wird, du wirst nie wieder nach Hause kommen, du wirst jetzt etwas erleben, was du dir in den schlimmsten Träumen nicht ausmalen konntest, das ist der härteste Augenblick, den es gibt. Diese ersten 48 Stunden nach der Festnahme entscheiden ein Stück weit auch für Sein oder Nichtsein. Was sehr nervtötend ist, ist diese völlige Einsamkeit, diese Isolierung von allem, die völlige Desozialisierung: keiner spricht mehr mit dir, du siehst keinen anderen, du hörst niemand mehr. Ich habe 7 Monate in U-Haft gesessen und ich habe keine Zeile zu lesen bekommen. Wenn du nur noch mit dir, deiner Angst und deiner Panik allein bist, das ist das Schlimmste.